Das herbeigeredete Wohnproblem

Private Vermieter haben ein Interesse an moderaten Mietpreisen. Der Wohnungsmarkt in der Stadt Zürich funktioniert.

Eine günstige Wohnung in Zürich zu finden, sei unmöglich, heisst es immer wieder und schrieb hier auch der Städtebauprofessor Ernst Hubeli. Als Sünden­böcke hat Hubeli unter anderem private Immobilienbesitzer identifiziert. Ich wage zu widersprechen, und zwar auf vier Ebenen.

In der Stadt Zürich ziehen pro Jahr rund 40’000 Personen um. Jedes Jahr finden also gut 40’000 Personen oder 10 Prozent der Stadtbevölkerung neuen – oder zumindest anderen – Wohnraum, für den es sich lohnt, die bisherige Wohnung zu verlassen. Und jeder Auszug aus einer Wohnung bedeutet eine neue Chance für einen neuen Mieter dieser Wohnung.

Tatsächlich sind die auf Internetplattformen und in Inseraten ausgeschriebenen Mietpreise oft hoch. Aber werden diese auch tatsächlich nachgefragt? Wer sich die Mühe macht, die ausgeschriebenen Wohnungen über längere Zeit zu beobachten, erkennt: Überdurchschnittlich teure Wohnungen bleiben länger ausgeschrieben und finden keine Mieter. Günstigere Wohnungen hingegen finden schnell einen Nachmieter – oft so schnell, dass sie gar nie richtig leer stehen. Die Leerstandsziffer sagt daher nichts über das Angebot an Wohnraum aus, höchstens über die Zahl am Markt vorbei produzierter Wohnungen, die niemand will und die deshalb leer stehen.

Regelmässig werden in den Parlamenten Vorstösse eingereicht, um die Geldwäscherei im Immobilienmarkt zu unterbinden. Selbstverständlich unterstütze ich das Anliegen voll und ganz. Nur: Die Ideen nützen wenig – weil es das Problem als flächendeckendes Phänomen gar nicht gibt. Es gibt keine Gnomen im Zweireiher, die mit abgewetzten Aktenkoffern voll Schwarzgeld Häuser kaufen, oder zumindest gibt es sie nicht mehr. Bei jeder Bareinzahlung bei Post oder Bank von mehr als 25’000 Franken muss bis ins Kleinste belegt werden, woher das Geld kommt. Wie soll also der Verkäufer einer Liegenschaft mit Bargeld in Millionenhöhe damit verfahren? Ich kann – leider – nicht bestätigen, dass der Immobilienbereich vollständig von illegalen Machenschaften verschont ist. Aber das kann kein Grund für hohe Mieten sein.

Sind alle nur geldgierige Spekulanten?

Offizielle Statistiken zu den Eigentumsverhältnissen zeigen, dass die Hälfte des in der Stadt Zürich vermieteten Wohnraums Privaten gehört. Viele von ihnen besitzen ein mittleres Mehrfamilienhaus mit durchschnittlich fünf Wohnungen und wohnen in der Regel selbst darin. Das sollen allesamt geldgierige Spekulanten sein? Für viele Eigentümer stellt die Liegenschaft die Altersvorsorge dar. Gerne geht vergessen, dass die heutige gute Altersvorsorge erst vor gut 30 Jahren geschaffen wurde. Zuvor musste dies weitgehend selbst und auf privater Basis geregelt werden.

Ein wichtiger Player im Immobilienmarkt sind heute Pensionskassen und Versicherungen. Gesetzlich vorgegeben und klar geregelt, müssen sie den Grossteil der Gelder ihrer Versicherten in Immobilien anlegen. Sie müssen sie einerseits so bewirtschaften, dass die Mieter zufrieden sind. Andererseits müssen Pensionskassen und Versicherungen für ihre Versicherten – also für uns alle! – eine Rendite erwirtschaften. Und zwar eine angemessene, keine maximierte.

Und schliesslich: Immer wieder wird Eigentümern unterstellt, sie würden sozusagen aus purer Freude und um die Rendite um einige Hundertstelprozente erhöhen zu können, ganze Quartiere abreissen und neu bauen. Natürlich kann ich dies nicht kategorisch und für alle Eigentümer ausschliessen. Aber auch für grosse Eigentümer bedeutet ein Ersatzneubau Unsicherheit: Ist aufgrund von Einsprachen mit Verzögerungen zu rechnen? Lassen sich die Wohnungen auch tatsächlich wie geplant vermieten, oder haben sich die Annahmen zwischen Projektstart und der konkreten Vermietung bereits zu stark geändert? Zudem fallen während der Bauzeit alle Mietzinseinnahmen aus. Jeder vernünftige Immobilienbesitzer wird also genau prüfen, ob sich Abriss und Neubau auch tatsächlich lohnen.

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